Wenn wir über Leistungsfähigkeit im Lauftraining sprechen, denken wir oft an VO₂max, Core-Stabilität, Technik oder sogar an Schuhe. Doch ein stiller Protagonist trägt das gesamte System: der Fuß. Als Trainer von Straßen- und Trailläufern habe ich festgestellt, dass gezieltes Fußtraining sowohl für die Effizienz als auch zur Verletzungsprävention einen riesigen Unterschied macht. In diesem Artikel erkläre ich, warum der Fuß im Training auf keinen Fall vernachlässigt werden darf.
Der Fuß: ein biomechanisches Meisterwerk
Der menschliche Fuß besteht aus 26 Knochen, 33 Gelenken und über 100 Muskeln, Sehnen und Bändern. Diese Struktur ermöglicht eine einzigartige Kombination aus Steifigkeit und Elastizität. Bei jedem Schritt muss der Fuß stabil genug sein, um Kraft in den Boden zu übertragen, aber auch flexibel genug, um sich dem Untergrund anzupassen, Stöße abzufangen und den restlichen Körper zu schützen.
Wie der Fuß beim Laufen Kraft überträgt
Beim Laufen übernimmt der Fuß in wenigen Millisekunden drei Hauptfunktionen: Dämpfung beim Bodenkontakt, Anpassung an den Untergrund und Abstoß nach vorne. Dabei arbeiten unter anderem der Wadenmuskelkomplex, die Plantarfaszie, die Zehenspreizer, der Tibialis posterior sowie viele intrinsische Fußmuskeln zusammen. Der Fuß funktioniert wie eine elastische Feder, die beim Aufsetzen Energie speichert und sie beim Abstoß wieder freisetzt.
Biomechanik des Fußaufsatzes
In der Kontaktphase ist nicht entscheidend, ob man über die Ferse, den Mittelfuß oder Vorfuß aufsetzt sondern wie die Belastung aufgenommen und weitergeleitet wird. In der Stützphase senkt sich das Fußgewölbe, um Energie zu absorbieren. Hier übernehmen die kleinen, stabilisierenden Fußmuskeln eine zentrale Rolle. In der Abstoßphase wird der große Zeh (Hallux) zur Hebelachse, um einen kraftvollen Abdruck zu ermöglichen.
Warum der Fuß oft vernachlässigt wird
Viele Läufer tragen seit Jahren Schuhe mit starker Dämpfung und hohem Drop, die die Fußmuskulatur inaktiv werden lassen. Das Training konzentriert sich auf den Core, die Ausdauer oder die Technik, aber nicht auf den eigentlichen Kontaktpunkt mit dem Boden. Auch fehlt es häufig am Wissen über die Rolle des neuromuskulären Systems des Fußes.
Risiken eines schwachen Fußes
Ein nicht trainierter oder instabiler Fuß kann zu zahlreichen Problemen führen: Plantarfasziitis, Sehnenreizungen (z. B. Tibialis posterior oder Achillessehne), Sprunggelenksinstabilitäten, Knie oder Hüftproblemen aufgrund von Fehlstellungen sowie einem allgemeinen Verlust an Laufeffizienz.
Fußtraining ein unterschätzter Baustein
Gezieltes Barfußtraining (kontrolliert und progressiv) kann die Sensorik und Muskelaktivierung im Fuß deutlich verbessern. Es fördert die Propriozeption, stärkt das Fußgewölbe und steigert die Bewegungsqualität. Zu den wichtigsten Übungen gehören der Short-Foot (aktives Anheben des Gewölbes), Gehen auf Zehen, Fersen oder über den äußeren/inneren Fußrand, sowie kurze Hops, Barfuß-Skippings und kontrollierte laterale Bewegungen. Wichtig ist eine langsame, durchdachte Progression ohne spezifisches Training führt ein Umstieg auf Barfußlaufen oder Minimalismus oft zu Verletzungen.
Barfußgehen und minimalistisches Schuhwerk: sinnvoll, aber kein Wundermittel
Wenn möglich, ist es sehr empfehlenswert, regelmäßig barfuß oder mit minimalistischen Schuhen zu gehen sei es zu Hause, beim Aufwärmen, bei Cooldowns oder bei regenerativen Läufen. Auch Lauftechnikübungen lassen sich sehr gut barfuß oder minimalistisch durchführen. Doch das ist kein Wundermittel. Nur barfuß zu laufen oder andere Schuhe zu tragen, reicht nicht aus, um Fehlstellungen wie Überpronation oder Supination zu korrigieren. Ohne gezieltes Training der Fußmuskulatur und ohne ganzheitlichen Blick auf den Körper bleibt die Funktion eingeschränkt.
Die Ursache liegt selten nur im Fuß. Hüftkontrolle, Beckenstabilität und Rumpfansteuerung spielen eine zentrale Rolle. Der Fuß kann seine Aufgabe nur optimal erfüllen, wenn das gesamte System von oben nach unten zusammenarbeitet. Deshalb integriere ich in meinen Trainingsplänen neben dem Fußtraining auch gezielte Übungen für das Gesäß, die Hüfte und den tiefen Core.
Der Fuß im Trailrunning
Im Gelände ist der Fuß noch stärker gefordert: Er muss sich ständig an wechselnde Untergründe anpassen, kleinste Unebenheiten ausgleichen, den Körper stabilisieren und gleichzeitig Energie übertragen. Ein trainierter Fuß reduziert das Risiko von Umknicken, verbessert die Kraftübertragung beim Bergauflaufen und sorgt für mehr Agilität in technischen Downhills.
Fazit: ohne Fuß kein Fundament
Als Trainer kann ich nicht über Technik, Effizienz oder Verletzungsprävention sprechen, ohne beim Fundament anzusetzen: dem Fuß. Er ist keine passive Struktur, die einfach geschützt werden muss. Er ist der Ursprung der Kraft, der Kontaktpunkt mit dem Boden und der erste Hebel im gesamten Bewegungsablauf. Ihn zu trainieren bedeutet, Laufen ganzheitlich zu verstehen.