Die Laktatschwelle: der verborgene Schlüssel zur Leistungsentwicklung im Running und Trailrunning
Wenn es um Fortschritte im Running oder Trailrunning geht, denken viele zuerst an mehr Kilometer, härteres Training oder schnellere Einheiten. Doch hinter echter, nachhaltiger Leistungsentwicklung steckt ein physiologischer Faktor, der oft unterschätzt wird: die Laktatschwelle.
Aus meiner Sicht als Trainer für Ausdauersportarten ist das Verständnis und gezielte Training dieser Schwelle eine der effektivsten Strategien, um effizienter, stärker und verletzungsfreier zu werden. Und das unabhängig vom Leistungsniveau.
Was ist Laktat und warum produziert unser Körper es?
Bei jeder Bewegung brauchen unsere Muskeln Energie. Ein Teil dieser Energie wird über einen Prozess namens Glykolyse gewonnen, bei dem Glukose in Energie (ATP) umgewandelt wird. Solange genug Sauerstoff zur Verfügung steht, funktioniert dieser Prozess effizient und nahezu „sauber“.
Steigt jedoch die Belastung, kann der Körper nicht mehr genug Sauerstoff bereitstellen. Dann schaltet er teilweise auf eine anaerobe Energiegewinnung um und dabei entsteht Laktat als Nebenprodukt.
Früher galt Laktat als „Abfallprodukt“, das Muskelkater verursacht. Heute weiß man: Laktat ist keineswegs schädlich im Gegenteil, es ist ein wertvoller Energieträger, der vom Körper recycelt werden kann. Kritisch wird es nur, wenn mehr Laktat produziert wird, als der Körper abbauen kann dann kommt es zur Ermüdung.
Was ist die Laktatschwelle?
Die Laktatschwelle beschreibt den Punkt, an dem der Körper beginnt, Laktat schneller zu produzieren, als er es abbauen kann. Bis zu dieser Schwelle besteht ein Gleichgewicht darüber hinaus steigt die Laktatkonzentration im Blut exponentiell an, was zu einem raschen Leistungsabfall führt.
Diese Schwelle markiert also die maximal mögliche Belastungsintensität, die über längere Zeit aufrechterhalten werden kann. Wer sie kennt, weiß genau, wo der Bereich liegt, in dem die größten Fortschritte möglich sind ohne sich zu überlasten.

Warum ist das so entscheidend für das Training?
Die Laktatschwelle gibt Auskunft darüber, wie effizient dein Körper Energie gewinnt und verarbeitet. Je weiter du diese Schwelle nach oben verschiebst, desto schneller und länger kannst du laufen, ohne frühzeitig zu ermüden.
Wer ohne dieses Wissen trainiert, riskiert, regelmäßig an seiner Leistungsgrenze vorbei zu trainieren entweder zu intensiv oder zu locker. In beiden Fällen bleibt viel Potenzial ungenutzt.
Gerade im Trailrunning, wo das Terrain ständig wechselt, kann das Wissen um die Laktatschwelle helfen, den Krafteinsatz in Anstiegen oder technischen Passagen besser zu steuern, um am Ende nicht „einzubrechen“.
Wie lässt sich die Laktatschwelle bestimmen?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten:
Ein klassischer Weg ist die Messung im Labor, bei der während eines Stufentests regelmäßig Blutproben genommen werden. Wer es praktischer mag, kann mit Feldtests arbeiten etwa durch strukturierte Laufeinheiten mit Pulsmessung oder durch den Einsatz von Sensoren, die die Sauerstoffsättigung im Muskel (SmO₂) in Echtzeit messen.
Auch die subjektive Wahrnehmung spielt eine Rolle. Mit wachsender Erfahrung erkennt man oft intuitiv den Punkt, an dem die Belastung deutlich zunimmt, aber gerade noch beherrschbar bleibt ein gutes Zeichen für die Nähe zur Laktatschwelle.
Wie trainiert man die Laktatschwelle?
Das Ziel des Trainings ist es, die Schwelle nach oben zu verschieben also dem Körper beizubringen, mehr Laktat tolerieren und besser verarbeiten zu können.
Eine bewährte Methode sind längere Belastungsblöcke in genau diesem Bereich, die intensiv, aber noch kontrollierbar sind. Diese Einheiten können gleichmäßig auf Tempo oder Puls ausgerichtet sein oder in Form von längeren Intervallen mit kurzen Pausen stattfinden.
Auch progressive Läufe, bei denen das Tempo schrittweise gesteigert wird, sind sehr effektiv, um den Körper an steigende Intensitäten heranzuführen und seine Anpassungsfähigkeit zu verbessern.
Im Trailrunning funktioniert das genauso allerdings angepasst an das Gelände. Das bedeutet: längere Anstiege in gleichmäßigem, herausforderndem Tempo zu laufen, ohne über die eigene Grenze hinauszugehen. Dabei ist nicht das Tempo entscheidend, sondern die richtige Steuerung der Belastung.
Mein Ansatz als Trainer
In meiner Arbeit mit Läuferinnen und Läufern von Einsteigern bis zu ambitionierten Athleten ist die Laktatschwelle ein zentrales Element in der Planung. Ohne dieses Wissen ist Training oft nur ein Schuss ins Blaue.
Ich arbeite in mehreren Stufen: Zuerst wird eine solide aerobe Basis aufgebaut. Danach beginne ich, gezielt im Bereich der Laktatschwelle zu trainieren je nach Zielsetzung, Belastungsverträglichkeit und Fortschritt. Dieses Training hilft, das Fundament zu festigen und gezielt Tempoausdauer aufzubauen.
Dabei nutze ich sowohl subjektive Rückmeldungen der Athleten als auch objektive Messwerte etwa durch Pulsdaten, SmO₂ oder Testeinheiten. So kann ich die Trainingsreize individuell anpassen und immer wieder feinjustieren.
Die Erfolge sprechen für sich: Wer vorher über Monate stagnierte, macht auf einmal spürbare Fortschritte und das oft mit weniger Aufwand, aber klarer Struktur.
Fazit
Die Laktatschwelle ist kein abstrakter Messwert sie ist der zentrale Punkt, an dem sich entscheidet, wie weit du dich entwickeln kannst. Wer sie kennt und gezielt trainiert, läuft nicht nur schneller, sondern vor allem klüger und nachhaltiger.
Im Trail wie auf der Straße: Der Schlüssel zum Fortschritt liegt nicht im „Mehr“, sondern im „Richtig“. Und das beginnt mit dem Verständnis des eigenen Körpers und der Bereitschaft, strukturiert an seinen Grenzen zu arbeiten, ohne sie ständig zu überschreiten.